Seit diesem Jahr können sich sowohl aktive als auch ehemalige Sportler in einer Spezialsprechstunde der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Universitätsklinikums Frankfurt unterstützen lassen. Das Behandlungspersonal ist für die spezifischen Anforderungen im Leistungssport sensibilisiert und berät und betreut bei Fragen rund um psychische Probleme, Prophylaxe und Prävention. Das psychiatrische bzw. psychotherapeutische Angebot ist Teil eines deutschlandweiten Verbundes universitärer Spezialsprechstunden, der sich aus dem Referat „Sportpsychiatrie und -psychotherapie“ der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) entwickelt hat. Dadurch entsteht ein Netzwerk von ambulant und stationär behandelnden Psychiatern und Psychotherapeuten.
„Mit der sportpsychiatrischen Spezialsprechstunde wollen wir ein zentrales Kontakt- und Hilfsangebot für Sportlerinnen und Sportler mit psychischen Erkrankungen schaffen sowie Ansprechpartner für Sportvereine und Sportverbände werden“, erläutert PD Dr. Viola Oertel-Knöchel, Leitende Psychologische Psychotherapeutin der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie am Universitätsklinikum Frankfurt.
Hintergrund: spezifische Belastungen und Verdrängungsmechanismen
Sport wird vor allem als eine Betätigung gesehen, die dem Auftreten von psychischen Erkrankungen vorbeugen kann. Gerade deshalb beschäftigen sich neuere Forschungsansätze und eine Reihe von Therapiekonzepten damit, sportliche Aktivität als mögliche zusätzliche Heilungsmaßnahme in den Behandlungsplan gegen psychische Erkrankungen zu integrieren. Gleichzeitig können insbesondere für Leistungssportler mit zunehmender Professionalisierung, Kommerzialisierung und Medialisierung neben bekannten ausgeprägten physischen eben auch massive seelische Belastungen auftreten. Dazu gehören beispielsweise ein enormer Trainingsaufwand, der mit hohen körperlichen und zeitlichen Anforderungen einhergeht, starker Leistungsdruck oder Wettkampfangst. Auch der Umgang mit Verletzungen oder Misserfolgen ist häufig herausfordernd. Konflikte im Team, mit Trainern, Vereinen oder Verbänden sowie altersbedingte Leistungseinbußen oder das Karriereende können bei entsprechender Veranlagung ebenfalls die Gefahr einer psychischen Erkrankung erhöhen.
Allerdings werden psychische Themen vom Sportler selbst und seinem Umfeld oft nicht als behandelbares Problem wahrgenommen und offen kommuniziert. Es passt nicht in das Bild eines souveränen und leistungsorientierten Athleten. Psychische Erkrankungen werden häufig nicht erkannt, da mentale Stärke mit der seelischen Gesundheit verwechselt wird – doch viele Sportler sind trotz psychischer Störung leistungsfähig. Experten gehen davon aus, dass psychische Erkrankungen bei Spitzensportlern ähnlich häufig vorkommen wie in der Normalbevölkerung. Zu den typischen Erscheinungsformen gehören bei ihnen: Depressionen, Angststörungen, Suchterkrankungen oder Essstörungen. Auch sportbedingte Hirntraumata treten auf. Viele der spezifischen Belastungen kommen bei der Zielgruppe häufig vor und sind teils unvermeidbar. Deshalb kann es von großer Bedeutung sein, Sportlern das Rüstzeug zur erfolgreichen Bewältigung belastender sportbezogener Situationen zu vermitteln.
Spezialsprechstunde füllt eine Versorgungslücke
Während für die Sportmedizin die körperliche Gesundheit im Fokus steht, existiert für die psychische Gesundheit im Leistungssport bislang kaum ein medizinisches Angebot. Hier will die Sportpsychiatrie und -psychotherapie Abhilfe schaffen. Sie beschäftigt sich mit den spezifisch im Leistungssport auftretenden psychischen Belastungen und bietet eine fachgerechte Behandlung, trägt zur Prävention und damit zum Erhalt der Gesundheit bei. Mit der Sprechstunde erhalten aktive und ehemalige Sportler eine Anlaufstelle. Im Verlauf der Beratung kann beispielsweise ein individueller Therapieplan mit dem Ziel erstellt werden, die Belastungen und Probleme weitgehend zu minimieren. Je nach Symptombild ist eine kurz- oder längerfristige Begleitung vorgesehen. Auch die Anforderungen und Lebensumstände der Sportler sowie ihre Trainingspläne und das mediale Umfeld sollen berücksichtigt werden. Bei Bedarf lassen sich auch Angehörige, Trainer, Manager oder Verbandsmitarbeiter in einem absolut diskreten Umfeld in die Behandlung einbeziehen.
Quelle: Universitätsklinikum Frankfurt am Main